Am 28.03.2019 hatt der PGW-Kurs der S4 von Herrn Pannecke die Ehre, den renommierten Soziologen Prof. André Kieserling bei sich willkommen heißen zu dürfen und mit ihm über verschiedenste Themen unserer heutigen Gesellschaft reden zu können.
André Kieserling ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld, ein bekannter Weiterentwickler von Niklas Luhmanns Systemtheorie.
Thematischer Schwerpunkt des Besuches bildete das Thema „Individualisierung“, zu der sich der Kurs mithilfe von Fragen vorbereitet hatte, um ins Gespräch mit dem Experten zu kommen.
Es entwickelte sich eine hochinteressante Diskussion mit einer enormen Bandbreite an Inhalten, die alle nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern vor allem auch junge Leute und damit für die Schülerinnen und Schüler wichtig sind. Besonders beeindruckend war dabei, wie sensible Themen nicht nur von den Schülerinnen und Schülern, sondern auch von Kieserling selbst angesprochen wurden.
Rund um den Themenbereich der Individualisierung war wohl der Vortrag durch den Professor über „Gruppenidentifikation“ am aufschlussreichsten. Kieserling sinnierte mit dem Kurs darüber, inwiefern man sich selbst einer Gruppe zuordnet, sei dies nun ethisch, akademisch oder einfach nur platonisch begründet, und welchen Einfluss das auf das Leben und ebenso auf das Verhalten habe.
Aus der Diskussion wurde keine hitzige politische Debatte, wie man es bei dem Thema hätte erwarten können, sondern ein professionelles Gespräch mit vielen Facetten und noch mehr Argumenten. Man konnte gar nicht anders, als sich selbst und die eigene Individualität zu hinterfragen und unter die Lupe zu nehmen. Dabei blieb eine Aussage besonders in Erinnerung: „Es ist unsere eigene Entscheidung, mit welcher Gruppe wir uns identifizieren, denn wir sind – ob wir es wollen oder nicht – immer vielen verschiedenen Gruppen zuzuordnen.“ Und obwohl diese Aussage bei näherer Betrachtung so offensichtlich erscheint, hatte sich davor niemand aus der Schülerschaft konkret damit beschäftigt. Zu wissen, dass zur Individualität auch die Identifikation mit anderen gehört, mag selbstverständlich erscheinen – dennoch verschafft einem eine solche Aussage auch eine neue Perspektive.
Ebenso erleichternd empfanden die Schülerinnen und Schüler auch das Gespräch über die eigene Rolle in der Gesellschaft. Kieserling gab den Mitgliedern des Kurses das Folgende zu bedenken: „Eure jetzige Orientierungslosigkeit [darüber, was nach dem Abitur kommt, die Red.] rührt nicht von einer Unsicherheit, sondern von wenigen gesellschaftlichen Rollen her. Jeder übernimmt viele Rollen in der Gesellschaft – Vater, Kind, Kollege, Lehrer. Es gehört zu deiner Identität. Jetzt identifiziert ihr euch als Schüler, aber nur noch zum Abitur. Danach verändert sich eure Identität. Aber Ihr entscheidet, was aus ihr wird.“
Die eigenen Sorgen in so logischen Worten zusammengefasst zu hören, war ein hervorragender Abschluss zu einem aufschlussreichen Gespräch.
Man sucht sich die eigene Identität aus. Man hat die Kontrolle über die eigene gesellschaftliche Rolle. Und irgendwie scheint diese Kontrolle etwas sehr Beruhigendes an sich zu haben.
Für das Webteam berichtet: Yeva